Nationale Koordination Seltene Krankheiten
Coordination nationale des maladies rares
Coordinamento nazionale malattie rare
Coordination Rare Diseases Switzerland

Interview Adrian Toggenburger

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Bild: privat
Interview: Christine Guckert (kosek)

Welche Krankheit haben Sie genau?

Das ist meine Diagnose: «Eine Punktmutation 900 T nach C im Iduronat-Sulfatase-Gen, die die Aminosäure Leucin in Position 259 zu Prolin ändert (L 259 P). Diese Mutation wurde bisher nicht beobachtet. Demnach kann eine krankheitsverursachende Wirkung dieses L 259 P – Aminosäureaustausches angenommen werden.» Einfach gesagt heisst die Krankheit Mukopolysaccharidose Typ II oder kurz MPS II.

Welche Symptome haben Sie?

Ich habe Ablagerungen in allen Gelenken. Das heisst, ich kann kein Gelenk ganz ausstrecken. Daher bin ich von der Bewegung her eingeschränkt. Alle Organe sind schwächer, ausserdem habe ich eine Hörschwäche und eine Sehschwäche (bei Letzterem ist unklar, ob es mit der MPS zu tun hat).

Wann sind Sie bzw. Ihre Eltern auf die Symptome aufmerksam geworden?

Einen Tag nach meiner Geburt wurde ich schon von meiner Mutter getrennt. Ich musste notfallmässig ins Kinderspital Zürich (Kispi) eingeliefert werden. Ich atmete nicht ganz ruhig durch meine flache Nase und hatte einen roten Kopf. Dies wollte man abklären, leider ohne Befund. Nach zwei Tagen im Kispi durfte ich wieder nach Hause. Mit etwa 2 Jahren bemerkten meine Eltern, dass meine Zehen krumm wuchsen und ich meine Finger nicht strecken konnte. Zudem fiel ich immer wieder ohne Grund hin. Auch begann ich nur zögerlich zu sprechen.

Wie lange hat es bis zu einer präzisen Diagnose gebraucht? Wie viele Ärzte haben Sie gesehen?

Die Diagnose erhielt ich mit 4 Jahren. Aufgrund der oben geschilderten Symptome gingen wir zu meinem Hausarzt, dieser schickte mich weiter zu einer Kinderorthopädin. Ihre Diagnose passte für meine Eltern nicht zu den Symptomen und sie gingen danach zu einem Kinderarzt. Dieser hatte im Studium von MPS gehört und vermutete etwas in dieser Art. Zur weiteren Abklärung schickte er uns ins Kinderspital Zürich. Hier erhielt ich dann die Diagnose MPS II.

Wie haben Sie und Ihre Familie die Suche nach einer Diagnose erlebt? Was war schwierig oder belastend?

Es war nicht belastend, weil die Diagnose relativ schnell gestellt wurde. Da der Kinderarzt MPS kannte, war dann schnell klar, dass wir ins KISPI müssen.

Was hat es bedeutet, schliesslich eine Diagnose zu bekommen?

Die lange, unklare Zeit war vorbei, nachdem schon einige falsche Diagnosen gestellt wurden. Wir hatten eine Erklärung für die Probleme. Doch die Frage war nun, was bedeutet das für mich und mein weiteres Leben.

Was denken Sie, wie wäre Ihre Situation, wenn Sie noch immer keine Diagnose hätten? Wie wäre Ihr Leben dann möglicherweise verlaufen?

Vermutlich würde ich nicht mehr leben oder schwer behindert sein.

Gab es allenfalls nach der Diagnose Schwierigkeiten mit der Krankenkasse, um ein Medikament oder eine Therapie zu bekommen?

Die Krankenkasse war nach der Diagnose nicht der Zahler, sondern es lief alles über die IV aufgrund der Diagnose. Dies war mein Glück. Da mein Medikament nicht auf der Spezialitätenliste steht, hätte die Krankenkasse sich auch weigern können. Weil aber die IV die Medikamente seit meinem 12. Lebensjahr übernommen hat und diese meine Gesundheit verbessert haben, gab es keine Probleme beim Übertritt zur Krankenkasse im Erwachsenenalter. Schwierigkeiten gibt es aber trotzdem immer wieder. Egal ob IV oder KK, man muss einfach seine Rechte kennen, hartnäckig bleiben und für alles kämpfen.

Was bedeutet Ihre Krankheit für Sie heute im Alltag?

Wöchentlich habe ich eine Infusionstherapie zuhause, welche 3,5 Stunden dauert. Dazu kommt noch die Physiotherapie. Sonst fühle ich mich körperlich gesund und nicht eingeschränkt. Ich habe mich an meine Einschränkungen gewöhnt, daher fallen sie mir nicht mehr auf. Und es gehört auch zu meinem Alltag, für meine Rechte zu kämpfen.

Wie gehen Ihre Familie/Freunde damit um?

Gut. Sie behandeln mich so, als wäre ich gesund. Doch wenn etwas nicht geht, wird Rücksicht genommen und nicht die Krankheit in den Fokus gestellt. Ich bin einfach so wie ich bin.

Möchten Sie sonst noch etwas erzählen, das in dem Interview berücksichtigt werden soll?

Die meisten Arbeitgeber reagieren negativ auf meine Krankheit. Deshalb musste ich sie bei meinen letzten Arbeitgebern verschweigen, damit ich überhaupt eine Chance auf eine Anstellung hatte. Überall, wo ich sie erwähnte, wurde ich schräg angeschaut oder ich wurde sogar danach gefragt, wie lange ich noch lebe. Dies war leider kein Einzelfall, weshalb ich die Krankheit schlussendlich immer verschwiegen habe. Daher muss ich auch Unterstützung bei der IV holen für einen Stellenwechsel. Bis jetzt habe ich noch nie eine Stelle bekommen habe, bei der ich erwähnt habe, dass ich an MPS II leide. Aber verschweigen kann ich es nicht, es fällt einfach auf mit den Spitalbesuche, Therapien, etc.

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